Mangel an Medikamenten: Der Tod dieses Achtjährigen erzürnt die Venezolaner

Oliver Sánchez wurde nur acht Jahre alt; er war krank, er brauchte dringend Medikamente. Doch in Venezuela mangelt es an allem. Der Tod des Jungen ist zum Symbol für die Krise geworden.
Er war der kleine Junge mit dem Schild. Im Februar hielt Oliver Sánchez bei einer Demonstration in der venezolanischen Hauptstadt Caracas ein handgeschriebenes Poster hoch: “Ich möchte geheilt werden. Frieden, Gesundheit.”

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Oliver Sánchez im Februar in Caracas

Mit diesen wenigen Worte und seiner traurigen Geschichte rührte Oliver viele Venezolaner. Es ist die Geschichte eines krebskranken Jungen und eines Landes, dessen Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht. In Venezuela mangelt es an Medikamenten, medizinischen Geräten, an allem. Täglich sterben Babys in Kliniken, so beschreibt es ein Chirurg in Caracas. Auch Oliver ist jetzt tot. Er starb am Dienstag und wurde nur acht Jahre alt.
“Mein Sohn ist immer stiller geworden, er ist nach und nach verlöscht”, erzählte seine Mutter Mitzaida Berroterán später der Zeitung “La Nación“. Oliver litt am Non-Hodgkin-Lymphom, einer bösartige Erkrankung des Lymphsystems.
Die Familie litt mit ihm, wie wohl jede Familie das tun würde. In Venezuela kam dazu die quälende Suche nach Medikamenten. “Wir mussten vieles selbst kaufen”, so seine Mutter. “Epamin gegen die Krämpfe und Antibiotika. Jedes Mal, wenn sie uns um etwas baten, mussten wir losrennen.”
Als einen “gigantischen Kampf” beschreiben auch andere Angehörige im Gespräch mit der BBC die Suche nach Arzneien. In sozialen Medien gibt es in Venezuela demnach Tauschbörsen für Medikamente. Wo das Gesundheitssystem versagt, müssen sich die Menschen selbst helfen.
So wie Olivers Familie. Sie suchte, startete Aufrufe via Twitter, musste Spender um finanzielle Unterstützung bitten, Apotheken abklappern. “Manchmal mussten wir ins Landesinnere fahren, um das Medikament von dort nach Caracas zu bringen”, erklärte sein Onkel Ricardo Lobo der BBC. Und manchmal habe eine entscheidende Tablette gefehlt.

Ausnahmezustand in Venezuela: Wie die Menschen leiden

Dann bekam Oliver eine schwere Infektion. Seine Mutter glaubt, er habe sich in einem Krankenhaus mit einem Keim angesteckt. Der Junge fiel ins Koma. Auf der Intensivstation des Krankenhauses, in dem man ihn von Anfang an behandelt hatte, gab es kein freies Bett mehr. Eine NGO versuchte laut BBC, in einem anderen Krankenhaus fündig zu werden, aber in ganz Caracas habe es kein freies Bett für ihn gegeben. Schließlich musste die Familie auf eine private Klinik ausweichen.
Als Oliver schließlich starb, löste das einen Aufschrei in den sozialen Medien aus. Prominente zeigten sich entsetzt. Abgeordnete der Opposition hielten im Parlament Bilder des Jungen hoch, um deutlich zu machen: Dieser Tod hätte vermieden werden können.
Viele Venezolaner sind auch deshalb so erzürnt, weil der Mangel im Land umfassend ist. Immer wieder gibt es Demonstrationen. Das Land, einst prosperierend durch die hohen Öleinnahmen, steht kurz vor dem Ruin. In den kommenden Monaten müssen internationale Kredite von rund sechs Milliarden US-Dollar zurückgezahlt werden, Analysten rechneten mit der Pleite. Durch die höchste Inflation der Welt können die Menschen immer weniger für ihr Geld kaufen, zudem gibt es wegen Devisenmangels neben den fehlenden Medikamenten kaum noch ausreichend Lebensmittel, die eingeführt werden können. Die Versorgung wird stark rationiert, immer wieder kommt es zu Plünderungen, zudem ist die Gewaltrate hoch.
Noch hält sich der sozialistische Präsident Nicolás Maduro, er verlängerte den Ausnahmezustand um 60 Tage. Sein Dekret sieht auch vor, dass Soldaten und lokale Bürgerwehren zur Sicherung der öffentlichen Ordnung zum Einsatz kommen können. Die Opposition wirft dem Präsidenten vor, mit dem Ausnahmezustand eine Diktatur vorzubereiten. Für Rücklagen hat Maduro nicht gesorgt, das rächt sich jetzt – darunter leiden müssen vor allem die Menschen.
Quelle: kgp/AP

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